Schnell nochmal an die frische Luft - Dolmetschen auf der Bohrinsel
Unser Mitglied Vivi Bentin dolmetscht auch an ungewöhnlichen Orten
Wasserstoffstrategie, Emissionsziele, Fridays for Future – damit kennen wir uns aus im politischen Berlin. Wenn es aber um die technischen Details geht, da wird die Luft schon dünner. Sondenkeller, Spülungspumpen, Walnussschalenfilter… alles Bestandteile einer Bohr- und Förderinsel. Aber keineswegs Bestandteil des allgemeinen Dolmetsch-Vokabulars. Dennoch: Wenn dann jemand fragt, ob man Lust hat, auf einer Bohrinsel für eine englische Besucherin zu dolmetschen – wer könnte dieser Mischung aus Herausforderung und einmaliger Chance widerstehen?!
Spätestens, wenn ein herzhaftes „Moin Moin“ erklingt und der Nieselregen ins Gesicht sprüht, weiß man: Ich bin am Meer. Bevor wir das Schiff zur Bohrinsel betreten dürfen, gibt es natürlich erst einmal einen Corona-Test. Die Regeln sind streng. Kein Wunder angesichts der Enge der Wohnquartiere, der Gänge und Räume auf der Insel. Danach müssen wir als Gäste uns ein Sicherheitsvideo anschauen; dann dürfen wir einchecken. Zum Glück ist das Meer ruhig, und ganz im Ernst: Bei richtigem Seegang dürfte so eine Überfahrt nichts für schwache Mägen sein.
Mit uns an Bord sind Beschäftigte der Bohrinsel, die – normalerweise für jeweils zwei Wochen – ihre neue Schicht antreten. Auch bei Ankunft auf der Insel folgt alles einem genau festgelegten Protokoll. Unter anderem müssen wir für eine weitere Sicherheitseinweisung zum Offshore Installation Manager: mein erster Einsatz als Dolmetscherin. Dann kommt der lustigste Teil, nämlich die Schutzkleidung. Gar nicht so einfach, unter den tendenziell für Männer geschnittenen Overalls etwas halbwegs Passendes zu finden. Dazu Jacke, Arbeitsschuhe, Handschuhe, Schutzbrille und natürlich ein Helm.
Dermaßen eingekleidet steigen wir vier Stockwerke hoch aufs Helikopterdeck, und man kann feststellen: Ein Mindestmaß an Fitness und Schwindelfreiheit ist hier durchaus nützlich. Mit dem Ausblick von dort beginnt die Führung über die Bohr- und Förderinsel. Netterweise hatte mir der Leiter des Betriebs vorab am Telefon mit großer Geduld den Rundgang beschrieben, die verschiedenen Stationen des Öls vom Bohrloch bis zur Leitung. Und ich hatte mich wiederum durch sehr viele Fachquellen gelesen und sehr viel Terminologie recherchiert. Dennoch bin ich nicht undankbar über den auf Englisch stattfindenden Teil der Führung. So habe ich mehr Zeit zum Staunen und Gucken…
Die Zeit vergeht wie im Flug. Noch einmal in den Kontrollraum und dann ab in die Kantine. Das zweisprachige Gespräch mit der Belegschaft wird konsekutiv verdolmetscht, mit Maske rauf, Maske runter. Und während uns das Boot schon wieder in Richtung Land schaukelt, denke ich mir: Was haben wir doch für einen spannenden Beruf!